Fernglas statt Brotsäckli – Warum man Enten nicht füttern sollte
Am Murtensee tummeln sich über 6’000 Wasservögel – doch Brot gehört nicht auf ihren Speiseplan. Wildhüter Pascal Balmer erklärt, warum.

Am Murtensee tummeln sich über 6’000 Wasservögel – doch Brot gehört nicht auf ihren Speiseplan. Wildhüter Pascal Balmer erklärt, warum.
Stockenten mit ihren Küken gleiten über die Wasseroberfläche, Schwäne ziehen majestätisch vorbei, Blässhühner tauchen quiekend auf, Mittelmeermöwen und Kormorane suchen nach Futter, und zwischendrin blitzt ein schillernder Eisvogel auf. Viele Ausflügler am Murtensee greifen dabei fast automatisch ins Brotsäckli, um den Tieren ein paar Stücke hinzuwerfen.
Doch Wildhüter und Fischereiaufseher Pascal Balmer warnt gegenüber 'unsereRegion': «Brot zu füttern hat negative Folgen – für die Tiere und für das Gewässer.» Pascal Balmer kennt die Tierwelt am und auf dem See wie kaum ein anderer und weiss, warum ein scheinbar harmloses Stück Brot den Vögeln schaden und das Wasser belasten kann.

Fast Food für Enten
«Brot ist für die Tiere wie Fast Food für uns Menschen», erklärt Pascal Balmer. «Es ist nicht artgerecht, macht nicht lange satt, wird schlecht verwertet und liefert keine wichtigen Nährstoffe.» Besonders problematisch sind auch Chips, Essensreste oder gar verschimmeltes Brot.
Füttern mit Folgen
Was harmlos wirkt, kann weitreichende Folgen haben: Verdauungsprobleme, geschwächte Tiere, Parasitenbefall und Krankheitsübertragung wie beispielsweise die Vogelgrippe. «Wo gefüttert wird, sammeln sich grosse Gruppen von Wasservögeln», so Pascal Balmer. «Das führt nicht nur zu mehr Kot am Ufer, sondern auch zu schlechterer Wasserqualität – darunter leiden wiederum Fische und andere Wasserbewohner.»
Fehlentwicklungen wie die sogenannten ‘Engelsflügel’ können bei Mangelernährung ebenfalls auftreten: verkrüppelte Flügel, die das Fliegen verhindern. Und: Liegengebliebenes Brot lockt auch Ratten an.

Genug Futter vorhanden
Am See mangelt es den Wasservögeln nicht an Nahrung. «Auch gefährdete Arten profitieren nicht von Fütterungen», betont Pascal Balmer. «Sie brauchen vielmehr Ruhe und geschützte Uferzonen.»
Ein Blick auf die aktuelle Zählung zeigt die Vielfalt am Murtensee: unter anderem wurden 2’467 Reiherenten, 445 Stockenten, 228 Schnatterenten –die schreibende nicht mitgezählt–, 1’371 Blässhühner und 89 Höckerschwäne registriert. Das bedeutet auch: Am Murtensee gibt es genug zu picken – ganz ohne Brotreste.
«Jedes Jahr müssen wir Stockentenfamilien sogar aus Innenhöfen im Stedtli zurück an den See bringen – so nah rücken uns die Tiere inzwischen», erzählt Pascal Balmer.
Lieber Fernglas statt Brotsäckli
Um den Tieren etwas Gutes zu tun, braucht es kein Futter. Tierfreund Pascal Balmer rät: «Am besten beobachtet man die Vögel einfach und geniesst ihren Anblick.»
Er fügt hinzu: «Wir leben nicht in einem Disney-Film – Wildtiere brauchen keine Zwangsbewirtung.» Sein Tipp: Statt dem Brotsäckli lieber ein Fernglas einpacken und die Vielfalt der Tiere in aller Ruhe entdecken.

So helfen Sie wirklich
Wasservögel unterstützt man am besten, indem man ihre Lebensräume schützt: Ufer sauber halten, Schilfbereiche weder mit SUPs noch mit Booten befahren und auch nicht schwimmend erkunden (das Nichtbeachten des Mindestabstands von 25 Metern zu Wasserpflanzen hat eine Busse von 100 CHF zur Folge).
«Heimische Pflanzen zu schützen und zu fördern stärkt zusätzlich das Ökosystem – und davon profitieren alle Tiere im und am See», fasst Fischereiaufseher Balmer zusammen.

Hilfe für Wildtiere beginnt mit Aufmerksamkeit und Geduld – das zeigt auch Pascal Balmers Alltag.
Gemeinsam mit seiner Hündin Thara ist er viel draussen unterwegs und kümmert sich unter anderem auch um verletzte Tiere. Kürzlich konnte er einen Mäusebussard, der nach einer Kollision auf der Autobahn in einer Pflegestation versorgt worden war, wieder gesund in die Freiheit entlassen.
Doch nicht immer enden seine Einsätze so erfreulich. Letzte Sommersaison musste eine junge Mittelmeermöwe in Muntelier eingeschläfert werden, weil sie einen verkrüppelten Flügel hatte und nicht fliegen konnte – ein trauriger, aber notwendiger Schritt. «Auch solche Momente zeigen mir, wie wichtig es ist, Wildtieren mit Respekt zu begegnen», sagt Pascal Balmer.
Vielen Dank Herr Balmer für das interessante Gespräch und weiterhin viel Freude in Ihrem wichtigen Beruf!