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Wir wohnen hier: Eine gute Idee nimmt Fahrt auf

Am Donnerstag fand in Murten die erste Mitgliederversammlung der IG für gemeinnützigen Wohnraum und neue Wohnformen "wir wohnen hier" statt.

von Rainer Menning
am
Der Vorstand der IG "Wir wohnen hier" umrahmt die beiden Referenten von FAB-A: Andrea Rüegg (v.l.), Stephan Haymoz, Thomas Zahnd (FAB-A), Daniel Sigrist (FAB-A), Pascal Känzig und Alexa Dürig.

Am Donnerstag fand in Murten die erste Mitgliederversammlung der IG für gemeinnützigen Wohnraum und neue Wohnformen "wir wohnen hier" statt.

Das Thema ist aktuell: Günstiger Wohnraum ist eine Mangelware, darüber herrscht schweizweit Einigkeit. Wie dieser Missstand verbessert werden kann, ist je nach Region unterschiedlich.

Neue Wohnformen
In Murten gibt es seit gut einem Jahr die Interessengemeinschaft für gemeinnützigen Wohnraum und neue Wohnformen, besser bekannt unter dem Kürzel "wir wohnen hier". Der Ansatz dieser noch jungen IG ist der gemeinnützige Wohnungsbau. Ein weiterer Fokus der IG "wir wohnen hier" liegt auf Wohnprojekten, welche Generationen zusammenbringen.

Drei Arbeitsgruppen
Die IG "wir wohnen hier" hat im ersten Jahr drei verschiedene Arbeitsgruppen gegründet, welche sich intern organisiert haben, Öffentlichkeitsarbeit betrieben haben - anhand von Marktständen und Vorträgen - und Beziehungen zu Behörden und Politik geknüpft haben. Die drei Arbeitsgruppen decken die folgenden Bereiche ab:

  • Gemeinnütziger Wohnungsbau
  • Generationen zusammenbringen
  • Rahmenbedingungen schaffen
Pascal Känzig (links) und Stephan Haymoz leiteten die erste Mitgliederversammlung.

Erste Mitgliederversammlung
Der Verein zählt aktuell 42 Mitglieder. An der Mitgliederversammlung waren deren 14 anwesend, welche sämtliche Geschäfte einstimmig verabschiedeten. Der junge Verein schliesst, dank einer einmaligen Spende, mit einem Gewinn von 2780 Franken ab und präsentierte ein ausgeglichenes Budget. Unter Punkt 4 wurden die Statuten angepasst, damit diese den Anforderungen an einen gemeinnützigen Verein entsprechen und eine Steuerbefreiung möglich wird. Der Vorstand wurde einstimmig wieder gewählt und besteht aus: Stephan Haymoz (Co-Präsident), Pascal Känzig (Co-Präsident), Alexa Dürig und Andrea Rüegg.

Ausblick 2025
Für das nächste Jahr hat sich die IG "wir wohnen hier" vorgenommen, bei sämtlichen Projekten voranzukommen. Konkret geplant ist bereits ein Film-Anlass mit Diskussion am Montagabend, 12. Mai im Kino Murten. Ausserdem sollen Machbarkeitsprüfungen für spezifische Parzellen in Murten initiiert werden.

Verdichtetes Wohnen kann funktional und zugleich ästhetisch sein.

Neue Wohnformen funktionieren
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung erhielt die interessierte Bevölkerung Einblick in das Projekt der Genossenschaft FAB-A Fabrikgässli aus Biel. Die Genossenschaft FAB-A hat auf einem zentral gelegenen Areal mitten in Biel eine nachhaltige und in vielerlei Hinsicht vorbildliche Siedlung gebaut. Ein Paradebeispiel wie gemeinnütziger Wohnungsbau funktionieren kann – und dies trotz der recht schmalen und verwinkelten Parzelle. Die beiden Projektverantwortlichen Thomas Zahnd und Daniel Sigrist erläuterten, wie der Weg von der Idee zur funktionierenden Wohnsiedlung vonstatten ging.

Anfang 2011 übernahm die Genossenschaft von der Stadt Biel das 1536 Quadratmeter grosse Grundstück im Baurecht. In einem partizipativen Prozess mit den künftigen Bewohner:innen plante die Genossenschaft zusammen mit einem Architekturbüro eine autofreie Siedlung im Minergie-P-Standard. Es ist eine Siedlung entstanden, die komplexe, örtliche Rahmenbedingungen meistern musste und Vorgaben für einen sozialen und ökologischen Lebensraumes in zeitgemässe Architektur umsetzte.

Die Siedlung im Fabrikgässli wurde im Sommer 2014 fertiggestellt und ist seitdem von rund 50 Personen in 17 Wohnungen und 3 Wohnateliers bewohnt.

Bildergalerie der Wohnsiedlung FAB-A Fabrikgässli

Interessante Fragenrunde
Anschliessend an die Präsentation des Projektes hatten die Anwesenden die Gelegenheit Fragen zu stellen. Dabei stellte sich heraus, dass die Wohnsiedlung nach der Fertigstellung mit den Mietzinsen noch etwas über dem Durchschnitt der Stadt Biel lag. Jetzt nach 12 Jahren Betrieb liegen die Mietzinsen jedoch deutlich darunter. Grund dafür ist, dass die Genossenschaft nicht gewinnorientiert arbeitet und der Mietzins seit der Inbetriebnahme unverändert blieb. Während bei anderen Mietobjekten die Mietzinsen regelmässig nach oben angepasst wurden. Fazit ist also, dass ein genossenschaftlicher Wohnungsbau zu Beginn mit denselben Baukosten kalkulieren muss wie andere Neubauprojekte, aber längerfristig eine Immobilie dem spekulativen Gewinnstreben entziehen kann.

Wohnraum für den Mittelstand

Ausserdem konnte Thomas Zahnd von FAB-A ein Vorurteil aufklären, welches wohl vielen im Hinterkopf herumschwirrt: Genossenschaftlicher Wohnungsbau ist nicht gleichzusetzen mit sozialem Wohnungsbau. Die Wohnsiedlung FAB-A richtet sich an den Mittelstand. Um Genossenschafter zu werden, muss im Projektstadium bereits Geld in Form von Beteiligungsscheinen eingeschossen werden. Die auf diese Weise für das Projekt notwendigen Eigenmittel entsprachen rund 10 Prozent der Bausumme. Weitere rund 10 Prozent konnten durch Förderfonds für den gemeinnützigen Wohnungsbau und speziellen Darlehen gedeckt werden. Für die restlichen 80 Prozent war eine gewöhnliche Kreditfinanzierung mit einer Bank notwendig. Bei der Wohnsiedlung FAB-A sind für eine Wohnung Anteilscheine im Wert von rund 20'000 Franken zu erwerben. Dieser Betrag kann durch Pensionskassengelder finanziert werden – und wird bei der Kündigung der Wohnung wieder zurückgezahlt.

Knappes Gut
Die grösste Herausforderung bei jedem Projekt im genossenschaftlichen Wohnungsbau stelle jedoch, gemäss Zahnd, die Suche nach einem geeigneten Stück Land dar. Und hier schloss sich der Kreis wieder zur IG "wir wohnen hier". In der Region Murten ist Bauland knapp. Und bei diesem knappen Gut stehen genossenschaftliche Wohnformen oft in Konkurrenz zu gewinnorientierten Immobilienentwicklern. Die IG "wir wohnen hier" hat verschiedene Parzellen im Blick und ist deren Potenzial am Analysieren. Für konkrete Aussagen ist die Zeit aber noch nicht reif. Die Genossenschaft FAB-A startet aktuell mit einem zweiten Projekt in Biel. Das Land stellt eine private Eigentümerschaft im Baurecht zur Verfügung. Diese Möglichkeit könnte auch für die Region Murten in Frage kommen.