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Land und Leute /Kolumne
Brigitte Kaufmann

Über Gott und die Welt - Von den Ferien

Letztes Jahr ist mein Vater 90 Jahre alt geworden. Er arbeitete zeitlebens als Bergbauer. 

Im Jahre 1940, als der 2. Weltkrieg gerade ein Jahr wütete, schrieb er als dreizehnjähriger Junge in sein Aufsatzheft: „Meine Arbeit auf dem Bauernhof ist unendlich wichtig. Am Morgen stehe ich wie immer um fünf Uhr auf und helfe beim Melken und Füttern der Kühe. Danach nehmen wir das Morgenessen ein. Später schultern mein Vater und ich eine Sense, wandern zur entfernten Wiese und mähen Mahde um Mahde vom taufrischen Gras. Gemeinsam beladen wir den Wagen. Onkel Anton holt die Kuh, spannt sie vor das Gefährt und miteinander bringen wir die wertvolle Fracht in die Tenne. Danach gehe ich zur Schule.“

Eigentlich sollte ich den Text von meinem Vater zum Thema „Arbeit“ aufschreiben. Doch damals war es üblich, streng zu arbeiten, denn Ferien gab es noch nicht. Einzig für die Beamten des Bundes organisierte man seit 1879 geregelte Kuraufenthalte. In der Privatwirtschaft gab es bis zum Ersten Weltkrieg kaum Ferienbestimmungen. Der Sauerstoffmangel in den Büros liess dann die Idee von Ferien aufkommen. Als Bekämpfung von geistiger Ermüdung, wurde argumentiert. Dies galt aber nur für Büroangestellte. Die Arbeiter draussen hatten ja genügend frische Luft. Ab 1966 wurden für alle ein Minimum von zwei Wochen Ferien festgesetzt und ab 1984 sind vier bezahlte Wochen üblich. Ferien sind heute nicht mehr wegzudenken, denn beim heutigen Arbeitstempo würden wir ohne Erholungszeiten bald im Burnout landen.

Wie ist es doch schön, in der Ferienzeit zu tun und zu lassen, was wir möchten. Wir können verreisen, wir können Wanderungen unternehmen, wir können einfach nichts tun oder aber Aktivferien machen, damit wir nicht einrosten. Ferien zu machen, heisst aber auch, sich selbst etwas Gutes zu tun. Mir etwas Gutes zu gönnen, zu spüren, was ich im Moment wirklich brauche, ist so wichtig wie essen und trinken. Ob es Sie in die Berge zieht oder ans Meer, oder einfach auf den Balkon, oder zu Freunden ins Wallis, oder nach Griechenland zu Verwandten. Dies müssen Sie selber spüren. Und Sie werden es spüren, denn jeder Mensch hat in sich eine Sehnsucht, der er folgen kann.

Bekannte Persönlichkeiten haben die Kunst des Ausruhens auch immer wieder erkannt. Francesca Petrarca, ein italienischer Dichter schreibt: „Wenn der Mensch zur Ruhe gekommen ist, wirkt er.“ Noel Coward, ein Schauspieler macht die Erfahrung: „Nichtstun macht nur dann Spass, wenn man eigentlich viel zu tun hätte.“ Der Autor John Steinbeck schreibt: „Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.“ Ob Anatole France jemals Literaturnobelpreisträger geworden wäre, wenn er seine Erkenntnis immer befolgt hätte, ist hier die Frage. Er ist überzeugt: „Die Arbeit ist etwas Unnatürliches. Die Faulheit allein ist göttlich!“ Ein sympathischer Gedanke für die Ferien.

Ich wünsche Ihnen für Ihre Ferien alles, was Sie brauchen und Sie sich wünschen. Ich wünsche Ihnen Musse oder Energie, Stille oder Trubel, Kälte oder Wärme. Alles, was Ihnen Freude bereitet und was Sie froh macht.

PS: In einem weiteren Aufsatz hat mein Vater geschrieben: „Heute hat sich der schweizerische Wirteverband im Hotel Fürigen getroffen. Sie schenkten allen Schülern aus Obbürgen eine riesige Schachtel Bärenmutzen. Ich wusste zuerst nicht, was dies ist. Doch als ich sie gegessen hatte, wusste ich es. Die waren soooo fein. Als Dank gingen wir Schüler nach Fürigen und brachten den Wirten ein Ständchen dar und sangen zwei Lieder. Danach wurden wir mit 13 grossen Flaschen Limonade und mit feinem Konfekt verwöhnt. Dies wird sicher als einer der schönsten Tage des Lebens in meiner Erinnerung bleiben.“

Wir sehen, auch früher gab es Auszeiten, die ein Herz erfreuen konnten und die, verbunden mit strenger Arbeit, die Menschen über 90 Jahre alt werden lassen.

Weitere Kolumne von Brigitte Kaufmann: "über Gott und die Welt - vom Feiern"

Brigitte Kaufmann lebt in Jeuss und arbeitet als Familienfrau und Mutter. Die gelernte Hauswirtschaftslehrerin und Theologin ist ausserdem als Laienseelsorgerin in der Pfarrei Gurmels tätig.