Go back
Vermischtes /Kolumne
Brigitte Kaufmann

Zum 1. August

Liebe Leserinnen und Leser von unsereRegion
 
Der Geburtstag der Schweiz, den wir am 1. August feiern, ist für mich ein Fest der Traditionen. Ich bin im Kanton Nidwalden aufgewachsen. Dort habe ich Werte gelernt und Traditionen gelebt. Ich bekam Boden und Wurzeln. Dort habe ich Heimat erfahren. Als wir 2003 mit unserer Familie hierherzogen, habe ich dieses Heimatgefühl auch gespürt. Hier im Kanton Freiburg, in der Region von Murten. Wo spüren Sie diese Heimatgefühle ? Was ist das, was uns verbindet? Was löst diese Heimatgefühle aus? Um das herauszufinden, will ich ein wenig zurückblenden.
 
Uri. Schwyz und Unterwalden 1291. Die drei Waldstätte erneuern ein Bündnis mit dem Nachfolger des verstorbenen Habsburgerkönigs. Sie wollen die gleichen Freiheiten leben wie zuvor. Die alte Eidgenossenschaft war entstanden. Schrittweise kamen weitere Partner dazu. Luzern, Zürich, Glarus, Zug, Bern. Später dann immer mehr. Die entstehende Schweiz wurde in den nächsten Jahren aber durch viele Kriege immer wieder auf den Prüfstand gestellt.

Erst im 18. Jahrhundert, in der Aufklärung, entstand durch zeitgenössische Dichter und Denker wie etwa dem Philosophen Jean-Jaques Rousseau oder dem Berner Dichter Albrecht von Haller eine regelrechte Schweizbegeisterung. Sie lobten die Natürlichkeit, Unverdorbenheit und Einfachheit der Eidgenossen.
Ich musste fast ein wenig schmunzeln, als mir bewusst wurde, dass es eigentlich die eher Linken waren, die unsere Schweizer Werte als erste entdeckt und geschätzt haben. 

In dieser Zeit ist auch eine erste Welle des Tourismus ausgelöst worden. Die Schweiz wurde durch den Alpinismus auch für Reisende interessant. Menschen aus verschiedenen Kulturen kamen in die Schweizer Berge. So ist die Schweiz aus ihrer Mitte, aus ihrem Herz heraus entstanden und immer vielfältiger geworden. Und genau dieser Gedanke, dass die Schweiz aus der Mitte von ihrem Herzen heraus gewachsen ist, hat mich zum Nachdenken bewegt. Was heisst eigentlich von Herzen? Aus dem Herzen heraus etwas entstehen zu lassen?
Der Philosoph Nietzsche hat einmal gesagt: „Man muss wie ein Kind werden, um aus ganzem Herzen etwas zu tun, ohne Profit, ohne Eigennutz.“ Wenn wir Kinder beim Spielen beobachten und sehen, wie sie mit ganzem Herzen dabei sind, können wir dem Zitat von Nietzsche nur zustimmen.

Vielleicht kommen Ihnen jetzt auch die Sachen in den Sinn, die Sie gerne machen. Verschiedene Hobbys, im besten Fall die tägliche Arbeit. Freude finden viele auch im Vereinsleben, oder beim Mitorganisieren und Durchführen eines Anlasses. Denken wir an die Soli, die Fasnacht, Open-Air Kino, Murten Classics und vieles mehr. Auch Verbands - oder Kommissionsarbeit kann Herzenssache sein. Oder Sie entdecken Ihre Freude bei der Mithilfe in den Gemeindeämtern. Dieses Zusammenarbeiten und diese Traditionen zu wahren, tut unserer Gemeinschaft gut und fördert den Zusammenhalt. Sie sind ein Nährboden und ein guter Boden gibt starke Wurzeln und wenn jemand starke Wurzeln hat, haut ihn nicht so schnell etwas um.

Doch auch wenn wir aus unseren Herzen versuchen zu leben, gibt es nicht immer nur Sonnenschein. Wo gehackt wird, da fliegen auch manchmal die Späne, sagt der Volksmund. Die Schweiz ist ja auch nicht in eitler Harmonie gewachsen. Denken wir nur an die vielen Auseinandersetzungen. Zum Beispiel bei den Stanser Verkommnissen, wo nach langem Händeln bei der Tagsatzung von Stans der Eremit Bruder Klaus den Hitzköpfen beibringen musste: „Hört doch mehr aufeinander!“ Dadurch hat er wie durch ein Wunder zum Frieden verholfen. Sie sehen, es ging früher auch nicht immer ohne Mediator.
Ein weiteres Beispiel sind die Wirren der Reformation. Diese Gegend hier war ja mittendrin, weil da die Konfessionsgrenze gesetzt wurde. Manches ist dort schräg gelaufen. In einem historischen Buch habe ich gelesen, dass einmal eine Gruppe Jeusser nach Gurmels bei einer katholischen Hochzeit tanzen und festen wollten. Die reformierte Berner Obrigkeit bekam Wind davon. Sie pfiffen die festfreudigen Jeusser aufs Schärfste zurück und verpasste ihnen eine saftige Busse. Zum Glück leben wir heute die Ökumene.
Zu erwähnen sind auch die Sonderbundkriege, wo die Schweiz 27 Tage lang einem Bürgerkrieg ausgesetzt war.
 
Sie sehen, auch früher mussten sich die Menschen zusammenraufen. Heute haben wir andere Probleme, für die wir gute Lösungen finden müssen. Wir stellen uns die Frage, wie wir unsere Umwelt am besten schützen, oder wie wir eine kulturelle und menschliche Offenheit leben können, ohne unsere Traditionen aufgeben zu müssen. Die Frage nach einer gerechten Altersvorsorge wird auch immer aktueller. Oder wie begegnen wir dem Aussterben von vielen Berufen. Jüngere Generationen müssen vielleicht lernen, in der heute schnelllebigen Zeit etwas durchzuziehen und für etwas zu kämpfen. Wir brauchen auch heute viel Phantasie und einen guten Willen, damit unser Zusammenleben glückt. Wichtig sind dabei vor allem der gegenseitige Respekt und die Achtung vor der Natur.
 
Beim Geburtstag der Schweiz bietet sich auch die Möglichkeit, zu danken.
Danke, dass Sie unsere älteren Menschen achten, sie haben viel für uns und unsere Schweiz geleistet, dass unser Land heute da steht, wo es ist.
Danke, dass Sie unsere Jugendlichen verstehen und begleiten. Sie brauchen uns und wir brauchen sie. Sie werden einmal die Verantwortung tragen, die wir heute haben.
Danke, dass Sie familienfreundlich sind und ihnen geeignete Strukturen bieten, damit es schön ist, eine Familie zu haben.
Danke, dass Sie kranke Menschen begleiten und ihnen auf ihrem Weg beistehen.
Danke, dass Ihr Horizont weit ist und Sie auch zu Fremden ja sagen und trotzdem Ihren Traditionen treu bleiben können.
Danke, dass Sie zu unserer Umwelt Sorge tragen, dass Sie sich einsetzen, für ein sauberes und fruchtbares Land.
Ihnen kommt sicher noch einiges in den Sinn, wofür wir einander danken könnten. Doch nun will ich zum Schluss kommen.
 
Die Schweiz ist vom Herzen heraus gewachsen und das geworden, was sie heute ist. Ein schönes und ein gutes Land mit einer hohen Lebensqualität. Das müssen wir wirklich sagen. So wollen auch wir von unseren Herzen heraus leben und zueinander Sorge tragen. Dann fühlen wir uns dazugehörig, dann erfahren wir Gemeinschaft und vielleicht werden dann auch wir dieses Heimatgefühl erleben, das ich am Anfang erwähnt habe - egal wo wir sind und wo wir uns niederlassen.
 
Liebe Leserinnen und Leser von unsere Region. Ich wünsche Ihnen ein fröhliches Geburtstagsfest der Schweiz und einen schönen 1. August.


(Foto: © 12.02.2012 by René Merz/Murten)