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Vermischtes /Kommentar
Joel Rathgeb

Was uns unsere Vorfahren lehren, wenn wir mal zuhören würden

Fotoausstellungen gibt es zuhauf und das ist kein Zufall: Fotografieren ist DAS Hobby des 21. Jahrhunderts (Social Media und Netflix sind für mich keine Hobbies). Doch nur wenige dieser Fotoausstellungen haben mich bis jetzt begeistert und keine hat mich wirklich berührt – bis am Mittwochabend. Da war ich an der Fotoausstellung «WÄRTvou», die von der Heimärztin Gaby Würth initiiert und dank der Mitarbeit von 20 Heimbewohner*innen umgesetzt werden konnte (unsereRegion berichtete: Gelungene Vernissage der Ausstellung "WÄRTvou" in Murten).
 
Von jedem und jeder der 20 Heimbewohner*innen wurde ein Foto gemacht, auf dem sie auf ein Bild von sich selbst in jungen Jahren blicken. Dazu gibt es jeweils einen kurzen Text, in dem die Protagonistinnen und Protagonisten prägende Ereignisse und wichtige Werte aus ihrem Leben erzählen.
 
Die geradlinigen und einfachen Worte der Seniorinnen und Senioren zeigen auf, auf was es im Leben wirklich ankommt. Bei vielen der Lebensgeschichten könnte man meinen, dass ein solches Leben nicht lebenswert ist und nur Leid und Schmerz beinhaltet. So haben zum Beispiel viele der Erzählenden ein Kind verloren. Dies war vor 50, 60 ,70 Jahren zwar etwas relativ Häufiges, doch das macht es nicht weniger schmerzhaft. Trotzdem tragen diese Menschen so viel Positivität in sich. Sie schöpften Kraft und Sinn aus dem Kontakt mit den Menschen, die ihnen wichtig sind. Bei vielen sind dies Eltern und Geschwister, doch bei den meisten ist es die grosse Liebe. Es ist rührend, wie diese Menschen alles durchstehen und weitermachen aus dem Grund, für ihren Ehemann oder ihre Ehefrau stark zu sein. Es ist sehr inspirierend und schön zu sehen, dass sich diese Hingabe lohnt – denn die allermeisten waren bis zum Tod mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammen. Nun finden sie ihren Sinn in kleinen Lichtblicken wie dem Lächeln eines Pflegers, einem Mittagessen mit den Enkelkindern oder einem Bild, das sie zusammen mit einer Heimbewohnerin malen. Und die Paare, bei denen beide noch leben, blicken heute noch gemeinsam auf ihre guten und schlechten Zeiten zurück.
 
Ich finde, dass uns die Worte und Bilder dieser Menschen aus einer anderen Zeit viel mitteilen können. Wir müssen nur zuhören. Die heutige Gesellschaft lehrt uns zwischen den Zeilen, nach Erfolg, Geld und Anerkennung zu streben. Doch meiner Meinung nach liegt der Schlüssel zum Glück im Zwischenmenschlichen. Dazu gehört auch, von Zeit zu Zeit für den Freund oder die Lebenspartnerin zu kämpfen.