Go back

Flachsanbau in Lurtigen: «Nach zwei Tagen Kurs spinnen alle»

Bestelle Saatgut für deine Kleider: So ist zu lesen auf der Homepage von «ZiehLein», einem Verein, der sich für den Flachsanbau in kleinen Mengen engagiert.

von Ruth Wasserfallen
am

Bestelle Saatgut für deine Kleider: So ist zu lesen auf der Homepage von «ZiehLein», einem Verein, der sich für den Flachsanbau in kleinen Mengen engagiert.

Käh Etter aus Lurtigen ist Vorstandsmitglied des Vereins «ZiehLein», der im Nachgang zu einer Diplomarbeit des Lehrganges Projektmanagement Umwelt und Natur gegründet worden ist. Der Verein bezweckt die Förderung von Flachsanbau in Schweizer Gärten oder auf kleinen Flächen. Dazu gehört auch das Beschaffen von zertifiziertem Saatgut, Betreuung der ZieherInnen, Organisation von Anlässen, um die aufwändige Verarbeitung vom Pflanzen bis zum fertigen Stoff aufzuzeigen. Damit machen sie auch auf die problematischen Umwelt- und Arbeitsbedingungen von Billigproduktionen aufmerksam. Käh Etter ist neben der Vorstandsarbeit auch eine Zieherin, heisst, sie hat eine kleine Anbaufläche in ihrem Garten.

Käh Etter bei der Arbeit

Nach dem System der Kreislaufwirtschaft

Es sind viele Arbeitsschritte nötig, bis Garn entsteht, das gestrickt, gehäkelt, gewoben oder sonst wie verwendet werden kann. Es ist ein tolles Beispiel, wie Kreislaufwirtschaft funktioniert, absolut alles findet Verwendung. Sogar die Samen sind gesund. Mit dieser sehr traditionellen und handwerklichen Bearbeitung, ist in diesem Kleinanbaumodell natürlich kein Geld zu verdienen. Es geht ums Aufzeigen, Sensibilisieren und Wertschätzen von Menschen und Kleidung. Lein oder Flachs, wie wir meistens sagen, wurde in der Schweiz schon von Pfahlbauern angesät und beflügelte die einheimische Textilindustrie.

Bündeli bereit zum Spinnen.

Der Stoff war heiss begehrt und hatte mitunter den Stellenwert von Gold. Die Hochblüte war 1945 mit einer Anbaufläche von rund 230 Hektaren (Quelle Heft Landliebe 4/5 23). Früher war es ja auch üblich, dass Frauen bei der Heirat eine Aussteuer mitbringen mussten und dafür wurde meistens Leinen verarbeitet. Mit der Einfuhr von Baumwolle und der Entwicklung von synthetischen Stoffen verschwand der Flachs auf Schweizer Feldern.

Tradition wiederbeleben

Die Emmentaler Firma «Swissflax» versucht, die Tradition des Flachsanbaus auch für Landwirte wiederzubeleben und schafft es im Moment auf rund. 7,5 Hektaren. Nach dem «Rösten» braucht sie jedoch europäische Partner, da es in der Schweiz keine maschinelle Verarbeitung gibt.

Von der Pflanze zum Garn sind diese Arbeitsschritte nötig:

Im April (cirkc am 100. Tag im Jahr): Aussaat in Reihen in die vorbereiteten Beete

Nach cirka. 100 Stunden: Sieht man die ersten Keimlinge, welche in den ersten Wochen vom Beikraut gesäubert werden. 

Stickeln und Schnürle: Sind die Pflanzen grösser, werden ihnen mit Stickel und Schnur etwas Halt gegeben.

Im Juni: Kann man am Morgen die blauen Blüten bewundern und es bilden sich Samenkapseln.

Raufen: Die Pflanzen werden samt Wurzeln ausgezogen/geerntet und in Garben gebunden und auf dem Feld oder aufgehängt getrocknet.

Riffeln: Mit dem Riffelkamm werden die trockenen Samenkapseln entfernt.

Tauröste: Für die Tauröste werden die Stängel auf dem Feld ausgelegt. Mit der Hilfe von Feuchtigkeit (Tau) wird der Leim, welcher die Faserbündel mit dem Holz verklebt aufgelöst, damit sich die Faserbündel später an der Brächete entnehmen lassen.

Brächete: Im Herbst werden Flachsstängel im Brechbock aufgeschlossen. In Lurtigen wird das sogenannte "Brächete" am 28. Oktober stattfinden. 

Hecheln, Babeli: Den Flachsfasern werden die Kurzfasern, oder Chuder genannt, ausgekämmt. Die verbleibenden Langfasern werden zu „Babelis“ gebunden und sind am geeignetsten fürs Spinnen. Der „Chuder“ kann auch versponnen oder als Füllmaterial gebraucht werden
 

Papiliorama in Kerzers

Der Verein «ZiehLein» bietet auch Kurse fürs Spinnen an. Käh Etter meinte trocken: «Nach zwei Tagen Kurs spinnen alle». Mit dem Garn ist dann praktisch alles möglich und der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. So sind zum Beispiel die Schwingerhosen am Eidgenössischen auch aus Emmentaler Flachs. Wer sich gerne so eine Pflanzung anschauen möchte, kann dies diesen Sommer im Papiliorama in Kerzers tun: Die kleine Anbaufläche ist mit Informationstafeln versehen, die den ganzen Prozess gut aufzeigt. Wenn alles läuft wie geplant, wird es auch ein Lurtigen eine «Brächete» geben.

Weitere Informationen:

www.ziehlein.ch

www.papiliorama.ch

www.swissflax.ch

Morgenblüte