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Eine Weihnachtsgeschichte

von Brigitte Kaufmann
am

Niedergeschlagen und mit hängenden Köpfen standen drei kleine Engel vor dem salomonischen Friedensengel. Der Flügel des einen hing schief und hatte einen Knick. Der Heiligenschein des anderen fiel ihm ganz unheilig über die Nase und das weisse, glänzende Gewand des Dritten zierte ein grosses Loch. "Was soll ich nur mit euch anfangen. Sogar dem lieben Gott wird es bald zu bunt. Es ist das sechste Mal, dass ihr zum Flügelmacher, zum Heiligenscheinschmied und zum Himmelsschneider müsst!" Der Friedensengel schüttelte den Kopf. "Ich kann bald kein gutes Wort mehr für euch einlegen. Die ganze Himmelsschar wird wahnsinnig, wenn ihr den Himmelstempelmäusen nachjagt, Amor den Pfeil stibitzt und Schiessübungen macht, oder im Sturzflug die Erdenbürger erschreckt. Wir sind hier schliesslich im Himmel. Da sollte es etwas gesittet zu und her gehen." Der kleinste Engel schluchzte, seine Lippen zitterten. Er schaute trotzig zum Friedensengel auf. "Auf der Erde war es so schön, wir konnten spielen, auf Bäume klettern, herumtollen und niemand störte sich daran. Ich will wieder zurück!" Der salomonische Engel verstand. Er nickte nachdenklich und zupfte an seinem Bart. "Ja, vielleicht wäre ein Erden-Einsatz gar nicht das Letzte für euch. Doch vorerst habe ich mir etwas anderes ausgedacht, damit ihr für die nächste Zeit beschäftigt seid. Der Urengel Moses meinte zwar, ich sei zu weich, er hätte euch auf eine vierzigjährige Wanderung auf die Erde geschickt mit ein paar Plagen im Rücken. Aber ihr wisst ja", der Friedensengel zwinkerte den drei kleinen Engeln zu, "unser Moses war schon immer etwas hitzköpfig. Also, am Nachmittag meldet ihr euch bei der himmlischen Putzequipe. In ein paar Tagen müssen alle Sterne am Himmel blitzblank sein. Ein Stern ist besonders wichtig. Der Stern von Bethlehem. Er muss glänzen und blitzen, damit er den Hirten und Königen den Weg zum Christuskind zeigen kann. In drei Tagen wird es geboren. Und nun lasst euch wieder herrichten und enttäuscht mich nicht, sonst muss ich das nächste Mal härtere Saiten aufziehen." Der salomonische Friedensengel knuffte die drei kleinen Engel in die Seite und stob davon.

Der Oberputzengel und der Himmelshauswart verteilten Eimer, Lappen, Schwämme und weiche Bürsten an die himmlische Putztruppe. "Damit ihr mir ja die Sterne nicht zerkratzt. Zuerst bürsten, danach mit dem Schwamm waschen und zuletzt polieren. Verbraucht nicht zu viel vom himmlischen Putzmittel, sonst tropft es auf die Erde. Ich lasse noch etwas himmlische Musik laufen, damit es kurzweiliger wird." Die drei kleinen Engel hängten den Putzeimer an den Schweif vom Bethlehemstern und schrubbten und polierten mit vereinten Kräften im Takt der Musik. Doch schon bald wurde es ihnen langweilig. Ein Lappen kam geflogen und fegte dem einen Engelchen den Heiligenschein vom Kopf. Der nasse Schwamm landete auf der Nase des anderen. Die Bürste landete im Eimer und bespritzte den Dritten mit schmutzigem Wasser. Der Stern schwankte besorgniserregend. Das himmlische Sternenputzmittel flog in hohem Bogen der Erde zu. Putzeimer, Lappen und Bürste folgten. Nun kamen die kleinen Engelsburschen wieder zu sich. Erschrocken schauten sie einander an. "Wir müssen die Sachen holen", flüsterte der Älteste, "sonst müssen wir auf die vierzigjährige Wanderung!" Die drei kleinen Engel kletterten vom Bethlehemstern hinunter und stoben zwischen den Himmelswölkchen der Erde zu.
 
Sie landeten in einem grossen, weichen Strohhaufen bei einem kleinen, alten Stall. Der Flügel des einen Engels war verbogen, der Rückflug würde wohl etwas schief werden und der Flügelmacher würde sich freuen. Der kleinste Engel stiess einen überraschten Engelsschrei aus. Sein weggefegter Heiligenschein glänzte goldig auf dem Stalldach und nach vereinter Suche fanden sie auch das himmlische Putzmittel, den Eimer, den Schwamm, die Bürste und den Lappen. Die neugierigen kleinen Engelchen öffneten vorsichtig die Tür zum Stall. Er war leer und furchtbar schmutzig. Spinnweben hingen von der Decke und überall lag Staub. "Vielleicht sollten wir die himmlischen Putzmittel einmal hier zum Einsatz bringen." Die Engel grinsten einander verschmitzt an. "Das haben wir doch früher auch gemacht, dem Vater beim Putzen der Ställe geholfen." Bald hörte man ein Klappern und Fegen und fröhliches Summen der kleinen Engelschar. Zuletzt füllten sie die Futterkrippe mit Stroh und der kleinste Engel legte eine kleine, flaumige Engelsfeder hinein. Drei Stunden später machten sich die drei Engel wieder auf den Weg zum Himmel. Sie flogen einen Umweg, um möglichst lange das Donnerwetter der Himmelswächter hinauszuschieben. Es war nämlich strengstens verboten, auf die Erde zu fliegen, ohne sich bei den himmlischen Torwächtern abzumelden.

Bei der Himmelspforte stand der salomonische Friedensengel und schaute die drei kleinen Engel traurig an. "Ich habe euch den Auftrag gegeben, den Bethlehemstern zu putzen. Morgen in der Nacht wird das Christkind geboren. Wenn der Stern nicht glänzt, können die Hirten und Könige den kleinen Jesus nicht finden. Wie wird das traurig sein." Er seufzte schwer. Nun kam Leben in die drei kleinen Engel. "Wir wollen alles wiedergutmachen", der Älteste schaute zum Friedensengel. "Ja, wir schaffen das an einem Tag, den Stern zum Glänzen zu bringen! Mit den himmlischen Putzmitteln schaffen wir das." Die drei kleinen Engel stoben davon und liessen einen verdutzten salomonischen Friedensengel zurück. "Wenn das nur gut geht", brummte dieser in seinen Bart und schlenderte zum himmlischen Friedensgericht, wo noch Arbeit auf ihn wartete.

In der Nacht, als Jesus geboren wurde, standen die Hirten auf dem Felde und schauten zum Stern von Bethlehem, der noch nie so schön gestrahlt hatte und der ihnen den Weg zum Stall zeigte. Dort lag das Christkind in einer Futterkrippe, lächelte und spielte mit einer weichen, weissen Feder. Maria und Josef standen im blitzsauberen Stall und der Ochse und der Esel spendeten ihnen Wärme.

Im Himmel feierte die ganze Himmelsschar Weihnachten und sang so laut Hosianna, dass es nicht störte, als drei kleine Engelchen den Himmelstempelmäusen nachjagten und mit Amors Pfeilen auf die Engelsmädchen zielten.