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Vermischtes /Kolumne
Kathrin Aebi

Fluch und Segen der Digitalisierung unseres Lebens

Am Montag, dem 18. Januar 2021, referierte der Nationalrat und Unternehmer, Gerhard Andrey, im Anschluss an die Mitgliederversammlung der Grünen See zum Thema "Nachhaltigkeit der Digitalisierung". Ein sehr komplexes Thema, das sicher nicht nur mich interessiert, weshalb ich die Inhalte des Referats für einen gedanklichen Ausflug nutzen möchte.
 
Die digitale Welt ist «faszinierend und beängstigend zugleich». So begann Gerhard Andrey sein Referat und nannte die zwei Seiten der Digitalisierung «the bright side» und «the dark side».

Als positiv sehe er die immensen Möglichkeiten, die sich im Privaten sowie im Arbeitsbereich ergeben, wie beispielsweise:

  • Open Source, Open Data, Open Standards: Offene Quellen und Daten von Dritten (Streaming-Dienste, Kommunikations-Apps, Wikipedia, Netflix), die von allen genutzt werden können;
  • E-Mobilität: Elektrofahrzeuge wie PKW, Busse, Bikes, Roller;
  • E- Commerce: Kauf und Verkauf von Waren über elektronische Verbindungen (Wirtschaft);
  • E-Shopping: Kauf von Waren aller Art im Internet;
  • Online-Unterricht und Homeoffice (besonders wichtig seit der Corona-Krise und den verhängten Lockdowns);
  • Möglichkeiten, Treffen zu organisieren, wie dies die Klimajugend getan hat;
  • Ort des Austausches als Mittel der demokratischen Mitbestimmung.

Dem gegenüber stehen die negativen Seiten der Digitalisierung:

  • Informationsflut in Form von «Schlagzeilen» oder «News Ticker». Haben wir früher die Zeitung gelesen, werden wir heute mit Nachrichten förmlich überflutet, gut recherchierte Artikel werden nur noch überflogen;
  • Das sogenannte «Darknet» bietet eine Plattform für Kriminelle aller Art;
  • Der konventionelle Krieg ging über in den «Cyberkrieg»;
  • Soziale Netzwerke als Instrument für Mobbing von Kindern und Jugendlichen;
  • Einschneidende Nutzung intelligenter Technologien, wie z.B. Gesichtserkennung (Beispiel China)
  • Vereinfachte und rasend schnelle Verbreitung von Verschwörungstheorien wie z.B. «QAnon» oder sogenannter «Fake News»

Gerhard Andrey machte auch auf die enorme Marktmacht und Monopolstellung der Digitalkonzerne wie Apple, Microsoft, Amazon, Facebook und inzwischen auch viele chinesische Anbieter aufmerksam, die zum Teil soviel Profit erwirtschaften, wie ein ganzes Land in einem Jahr. So hat Apple beispielsweise mit einem Marktwert von aktuell 2'245 Milliarden US-Dollar schon lange die Grosskonzerne der Öl- und Gasindustrie wie Exxon Mobil, BP, Total oder Chevron überholt. Andererseits zahlten die Digitalkonzerne so gut wie keine Steuern in den Ländern, in denen sie Niederlassungen betreiben. Gerhard Andrey verwies auf die EU, der er es zutraue, die Monopolstellung dieser Tech-Giganten über gesetzgebende Massnahmen in die Schranken zu weisen und die Rechte der Nutzer*innen und Urheber*innen besser zu schützen. Auch kämpfe die EU um Steuerzahlungen der Tech-Konzerne in den Ländern mit Niederlassungen. 
 
Die Digitalisierung betreffe auch die Seite der Hardware, der Endgeräte, die aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind: unsere Handys oder Laptops mit ihren vielen Zubehörteilen, wie Kopfhörer, Ladegeräte usw., deren Herstellung Unmengen an Rohstoffen und Energie benötigt und die an ihrem Lebensende Unmengen an sogenanntem Elektroschrott verursachen. Künftig müsse es in diesem Bereich zunehmend eine Kreislaufwirtschaft geben, betonte Gerhard Andrey. Man müsse aus Altgeräten Sekundärrohstoffe gewinnen, die wiederum bei der Produktion neuer Geräte verwendet werden. Und wir als Verbraucher sind ein wichtiger Marktfaktor, indem wir nur Geräte kaufen, die nachhaltig, also unter Einsatz dieser Sekundärrohstoffe, produziert worden sind.
 
Der steigende Energieverbrauch - auch durch unsere zunehmende E-Mobilität - stelle eine Herausforderung für die politischen Akteure in unserer aktuellen Zeit dar, in der die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte CO2-Reduktion bis 2050 mit wirksamen Massnahmen umgesetzt werden müsse. Hier gebe es einen grossen Nachholbedarf auf kantonaler wie regionaler Ebene.
 
Als Lösungsansätze nannte Gerhard Andrey seine im Nationalrat eingereichten Vorstösse, wie:

  • Die Motion «Zukunftsfähige Dateninfrastruktur», in der es um die Einrichtung einer einheitlichen Computerinfrastruktur auf allen Ebenen und in allen Kantonen geht.
  • Die Motion «Arbeiten beim Bund nachhaltiger gestalten», in der es um die Ausstattung öffentlicher Gebäude mit Solarpanels zur Stromerzeugung, Dienstfahrzeuge mit E-Antrieb, moderne nachhaltige Arbeitsplatzgestaltung etc. geht.

Ein geplanter Vorstoss von ihm sei die Deklaration von Haushaltgeräten: mittels eines Aufklebers soll künftig für den Händler und Konsumenten*innen ersichtlich sein, ob das Gerät reparierbar ist. Erleichtert wird dieser Vorstoss des Nationalrats durch ein EU-Gesetz, das ab 2021 in Kraft tritt, nach dem Anforderungen an die Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von Geräten durch die Hersteller erfüllt werden müssen. Auch deckt sich sein Vorstoss mit einer Konsument*innen-Umfrage durch die Konsumentenschutz-Organisationen im Herbst 2020, bei der 98% der befragten Schweizer*innen für ein Reparaturlabel bei Elektro- und Haushaltgeräten stimmten und über 75% sogar ein Verkaufsverbot für nicht reparierbare Produkte befürworteten (CEtoday vom 21.10.2020).
 
Erinnern möchte ich in dem Zusammenhang an den Verein Murten Nouveau mit seiner «Leihbaraque» und dem geplanten Repair Café im Gebäude des alten Feuerwehrlokals (www.murten-nouveau.ch) der voll dem Zeitgeist entspricht. Die Wegwerfmentalität nicht mehr nutzbarer Geräte gehört der Vergangenheit an (unsereRegion berichtete: Mit kreativer Dynamik ins Jahr 2021 - Verein Murten-Nouveau im alten Feuerwehrlokal). 

PS: Wer sich vertiefter mit dem Thema beschäftigen möchte, dem empfehle ich das Buch «Die Kunst des digitalen Lebens» geschrieben von Rolf Dobelli (Piper-Verlag, ISBN 978-3-492-31696-5). Das Buch kann bei der Altstadt Buchhandlung Murten bestellt und geliefert werden.