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Vermischtes /Kommentar
Karin Ledermann

In Zeiten wie diesen – der Arbeitsweg

Wie verändert sich unser Leben in der Zeit von Corona? Unsere Regionauten berichten darüber. In diesem Beitrag schreibt Karin Ledermann, wie sich die aktuelle Situation auf ihren Arbeitsweg ausgewirkt hat.

Wie verändert sich unser Leben in der Zeit von Corona? Unsere Regionauten berichten darüber. In diesem Beitrag schreibt Karin Ledermann, wie sich die aktuelle Situation auf ihren Arbeitsweg ausgewirkt hat.

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Meist bin ich bereits um sechs Uhr früh unterwegs zur Arbeit nach Biel. Ich sehe gerne, wie der Tag erwacht, ich liebe die Nebelbänke über den Sommerfeldern, die Sicht auf die Berge, wenn ich am Bielersee entlangfahre, die Rebberge und den Vully, der seine Farben den Jahreszeiten anpasst. Abends, auf dem Heimweg, habe ich zwischen Ins und Murten einen atemberaubenden Blick auf die Alpen, manchmal sehe ich äsende Rehe und kürzlich entdeckte ich einen Schwarm Störche, der Rast auf einem Feld machte. Je nach Jahres- und Tageszeit sehe ich den Sonnenauf- oder -untergang, den Mond und die Sterne.
 
Ja, ich mag meinen Arbeitsweg, er ist abwechslungsreich und ich entdecke immer wieder Neues. Wenn nur dieser elende Verkehr nicht wäre! Bereits frühmorgens ist er rege und abends ist das Gedränge noch grösser. Fahre ich einmal zehn, fünfzehn Minuten später als gewohnt los, sind bereits wesentlich mehr Autos unterwegs und ich gebe es zu, oft bin ich ungeduldig oder genervt.
 
Seit zwei Wochen jedoch habe ich die Strassen fast für mich allein. Ich bin viel entspannter unterwegs, höre Musik und singe laut mit, habe Musse, meinen Blick von rechts nach links über Felder, Wälder oder See schweifen zu lassen. Ich befinde mich ein wenig ausserhalb der Zeit, bin in meinem Auto – meiner Insel – unerreichbar und fast ein wenig losgelöst vom Alltag.
 
Natürlich ist der Anlass für die leergefegten Strassen tragisch und besorgniserregend. Aber es ändert nichts an den Tatsachen. Egal, ob ich die Momente, in denen ich weder vor noch hinter mir ein Auto erblicke, geniesse, oder ob ich mir (die sich oft wiederholenden) News im Radio anhöre und darob deprimiere.
 
Die auf dem Arbeitsweg gewonnene Zeit büsse ich übrigens spätestens beim Schlangenstehen vor dem Supermarkt wieder ein.
 
Aber seien Sie versichert, ich freue mich auf den Moment, wo mich wieder von vorne und hinten Autos einschränken, ich im Stau stehe und jede Sekunde aufmerksam und präsent sein muss. Und wenn dieser Moment dann endlich da sein wird, werde ich mich (hoffentlich) für längere Zeit nicht von langsamen, ungeduldigen oder rücksichtlosen Fahrern nerven lassen!

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