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Der 1. Mai: Vom Kampftag der Arbeiterbewegung zum Feiertag

von Rainer Menning
am

Um was geht es eigentlich beim «Tag der Arbeit»? Unsere Region wagt einen kurzen Blick zurück auf die Geschichte des 1. Mai und versucht die Bedeutung des Tages in der heutigen Zeit einzuordnen.

Der 1. Mai gilt als Tag der Arbeiterbewegung. Er geht zurück auf den Kampf der US-Arbeiter zur Durchsetzung des Achtstundentags im Jahr 1886. In zahlreichen Ländern ist er heute ein gesetzlicher Feiertag. Nicht so in der Schweiz. Aktuell ist der Tag der Arbeit nur in acht Kantonen ein offizieller Feiertag: Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Tessin, Thurgau und Zürich. Auffallend ist, dass der 1. Mai in der Schweiz in solchen Kantonen als Feiertag gilt, die bereits früh industrialisiert wurden und wo die Gewerkschaften deshalb ein stärkeres Gewicht haben.

Generalstreik von 1918 führte zu Verbesserungen

In der Schweiz fand der erste Feiertag erstmals 1890 statt. Ab Mitte der 1890er-Jahre erhielten die Arbeitenden einen unbezahlten Freitag, um an Veranstaltungen teilzunehmen. Nach dem Generalstreik im 1918 wurden zahlreiche politische und soziale Veränderungen eingeführt. Der Landesstreik dauerte vom 12. bis zum 14. November 1918, es beteiligten sich rund 250'000 Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen und drei Personen wurden im Zuge des Streiks durch Ordnungstruppen getötet.

In den Jahrzehnten nach dem Generalstreik wurden viele Forderungen der Arbeiterbewegung umgesetzt: Eine massive Reduktion der Arbeitszeiten, Lohnerhöhungen, die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die Vermögenssteuer sowie das Frauenstimmrecht. Ganz generell lässt sich sagen, dass der Generalstreik von 1918 zu einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern führte. Zu erwähnen sind auch Errungenschaften wie die Gesamtarbeitsverträge.

Arbeitsfrieden hält bis heute an

Dank dieser Verträge, die ab dem Ende der 1930er Jahre in der Uhrenindustrie und metallverarbeitenden Industrie galten, gelangte man zum so genannten Arbeitsfrieden. Dies bedeutet im Kern, dass Konflikte zwischen Arbeitgebern und Lohnempfängern gelöst werden, ohne zu Kampfmassnahmen wie Streiks oder Aussperrungen zu greifen.

Welche Bedeutung hat der 1. Mai heute noch für die Arbeitenden der Schweiz? Wir haben dazu den Gemeinderat Alexander Schroerter befragt.

Der Murtner Gemeinderat Alexander Schroeter
Der Murtner Gemeinderat Alexander Schroeter

Welche Bedeutung hat der 1. Mai heute noch in Murten?

Feiern und Märsche mit viel Publikum zum 1. Mai ist sicher eher ein städtisches Phänomen. Die Murtner SP hat seit längerer Zeit den Gedenktag eher mit kleineren Veranstaltungen und bis vor wenigen Jahren noch mit einem Stand am Maimarkt begangen. Tatsächlich sind sich wohl viele Schweizer*innen der Bedeutung der sozialen Errungenschaften, die unsere Urgrosseltern und Grosseltern erkämpft hatten, nicht mehr bewusst. Vielleicht ist die grösste Bedeutung, dass der 1. Mai uns bewusst machen kann, dass die Gesellschaft immer in Bewegung ist, und dass die Politik mit ihren geregelten Abläufen manchmal einen Anstoss von unten, von der Strasse braucht, damit gewisse nötige Veränderungen auch wirklich auf die politische Agenda kommen.

Welches sind heute die aktuellen sozialen Brennpunkte in der Schweiz, in der Region?

Vieles läuft in der Schweiz sehr gut, was die Grundrechte, die Arbeitsgesetzgebung, den Service Public, die Bildung für alle u.a.m. betrifft. Brennpunkte gibt es gleichwohl zahlreiche: Die Schweiz, wir alle, leben auf Pump, was die natürlichen Ressourcen betrifft. Seit Jahren erreichen wir etwa im Monat Mai den Zeitpunkt, an dem wir die Ressourcen bereits verbraucht haben, die uns für das laufende Jahr zustehen würden. Das Jahr dauert dann aber noch über siebeneinhalb Monate. Wie können wir schonender mit den Ressourcen umgehen, und wie kann uns das als Land gelingen, dass Bio, Nachhaltigkeit und so weiter nicht ein Luxusprodukt sind, das sich nur die Reichen leisten können – so sie denn wollen. Oder anders gesagt: Dass Menschen mit niederen oder mittleren Einkommen etwa gezwungen sind, billige, oft unter bedenklichen Umständen produzierte Kleider zu kaufen, wodurch sie aber unwissentlich an der globalen Spirale von Ausbeutung und Ressourcenraubbau drehen, ist ein himmelschreiendes Paradox.

Als alteingesessener Politiker, welchen Rat geben Sie einem Jugendlichen, einer Jugendlichen der, die in die Politik einsteigen will?

"Alteingesessen" klingt ein bisschen nach Sesselkleber. Aber ja: ich bin immer noch gerne politisch aktiv. Und wenn ich der nächsten Generation einen Rat geben darf: Engagiere dich irgendwo und irgendwie für die Gesellschaft. Und findet dieses Engagement im Rahmen einer politischen Gruppierung statt, auch dann ist es wichtig, nie das eigene kritische Denken aufzugeben.