Leserbrief: Persönliche Konzernerfahrungen - ein Lehrstück aus Kerzers
In den 80er-Jahren plante ein Baumaterialienkonzern (heute Lafarge/Holcim) am Fusse des Sonnenbergs in Kerzers ein grosses Kiesausbeutungsprojekt mit gravierenden Konsequenzen für Verkehr, Landschaft und Landwirtschaft. Ein Projektverantwortlicher hatte sich nach einer Sitzung der Planungskommission zur Bemerkung hinreissen lassen: «Wenn die Jungen wüssten, was hier auf sie zukommt, sie gingen alle auf die Barrikaden!»
Beim geglückten Versuch, mittels einer Gemeindeinitiative das Vorhaben zu stoppen, wurde dem Unterschriftensammler zu verstehen gegeben: «Gegen Schmidheiny hast du als kleiner Bürger keine Chance!» Eine besorgte Bauernfrau wollte den «Beobachter» einschalten, erhielt aber den Bescheid, da könne man nichts machen. Und als die verkaufsbereiten Landbesitzer wissen wollten, ob sie denn eine Bewilligung erhalten werden, gab man ihnen den Bescheid: «Mit den Leuten, auf die es drauf ankommt, sind wir mit allen per Du.» Es brauchte den Gang ans Bundesgericht, dass das Projekt gestoppt werden konnte, denn das mit dem DU scheint gestimmt zu haben; die Kantonsregierung hatte eine Bewilligung bereits erteilt.
An diesem Fall kann exemplarisch gezeigt werden:
- Den Projektverantwortlichen war ein gewisses Unrechtgefühl nicht ganz abzusprechen;
- dass der «kleine Mann» gegenüber den Grossen keine Chance hat, dürfte auch in Staaten der Dritten Welt die Regel sein;
- die Feststellung mit dem DU zeigt die Mechanismen der Macht. Die Vernetzung der wirtschaftlichen Interessenvertreter mit den politischen Akteuren ist eine weit verbreitete Praxis.
Die Geschichte scheint an Aktualität kaum verloren zu haben, zeigt sie doch die Ohnmacht gegenüber der Arroganz von gewissen Grosskonzernen. Wir dürfen uns in der Schweiz mit dem gut ausgebauten Rechtsstaat glücklich schätzen und es ist dringend, dass wir diese Prinzipien in eine globalisierte Welt exportieren und mit der Initiative einen Schritt in diese Richtung machen!
Martin Johner, Kerzers