Pfarrer Andri Kober: Ich erlebe die Kirchgemeinde als offen, dynamisch und vielfältig
Nach knapp einem Jahr im Amt als Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Murten, hat unsereRegion Andri Kober zum Gespräch geladen.

Nach knapp einem Jahr im Amt als Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Murten, hat unsereRegion Andri Kober zum Gespräch geladen.
Du bist schon fast ein Jahr in unserer Kirchgemeinde aktiv. Wie hast du unsere Kirchgemeinde bisher erlebt?
Ich erlebe die Kirchgemeinde als offen, dynamisch und vielfältig. Die Verantwortlichen und die Menschen hier in Murten haben mich herzlich aufgenommen. Die gute Zusammenarbeit im Team schätze ich sehr. Ich fühle, dass meine Arbeit geschätzt wird.
Was sind deine Hauptaufgaben? Gibt es eine typische Pfarrerwoche?
(Grosses Schmunzeln) Es ist so ein Geschenk, dass ich mit den Leuten reden darf, und zwar wann sie das Bedürfnis haben und solange sie möchten.
So ist meine Hauptaufgabe eigentlich, Leute zu Wort kommen zu lassen.
Natürlich habe ich daneben auch noch Gottesdienste, Amtswochen und Abdankungen. Aber ich erlebe es immer wieder als Geschenk, dass ich mir Zeit nehmen kann, um bei den Leuten ans Bett zu sitzen oder in ihren Stuben bewirtet zu werden. Da ich mich in allen vier Landessprachen gut verständigen kann, habe ich auch schon Lebensgeschichten auf Italienisch und sogar auf Romanisch anhören dürfen.
Ein Schwerpunkt deiner Aufgaben ist auch die Seelsorge im Spital und in Heimen? Was kann ich mir darunter vorstellen?
In Heimen feiere ich Andachten und beim nachfolgenden Kaffee entstehen Gespräche, daraus resultiert dann das Wissen, wer für einen Besuch für ein vertiefendes Gespräch offen ist. Im Spital gehe ich auf die Leute zu und leihe mein offenes Ohr, wenn es gewünscht wird; vorab natürlich von Patienten und Patientinnen durchaus auch einmal vom Fachpersonal.
Früher war die Pfarrperson oft erste Anlaufstelle, wenn etwas drückte oder der Haussegen schief stand. Heute gibt es Beratungsstellen für fast jedes Problem, Coaches, psychologisch geschulte Fachleute, usw. Wie hat sich die Seelsorge verändert?
Vielleicht hat die Themenbreite zugenommen, und ich erlebe die Leute viel sprachgewandter als früher, das heisst, die Leute sind offener, etwas anzusprechen und auch über ihre Emotionen zu reden. Im Grundsatz hat sich die Seelsorge in meiner Wahrnehmung in den letzten 30 Jahren substanziell kaum verändert.
Mit meiner Zusatzausbildung als Coach und Mediator sowie meinen Erfahrungen in Krisensituationen gelingt es mir oft, das nötige Vertrauen aufzubauen und rasch auf den Punkt zu kommen.
Dazu habe ich immer noch die Chance ins Spirituelle zu wechseln. Dies wird gerade von älteren Menschen noch sehr geschätzt, da sie Zuversicht und Ermutigung aus einem zugesprochenen Text, einem Gebet oder auch einem Segen schöpfen. Gerade im Spital- und Heimbereich ist das Auffangen und Begleiten sowie die Zusammenarbeit mit den Fachpersonen und Fachstellen zentral.

Neu bietest du zwei Mal im Monat die „L’Heure bleu du pasteur“ an: Was ist das genau?
Man sagt die „blaue“ Stunde des Tages vor dem Eindunkeln sei die Spirituellste; die Franzosen nennen „L’heure bleue“ die entspannte Apérozeit nach dem Arbeitstag. So bin ich einfach zu dieser Stunde in der französischen Kirche und freue mich auf schöne Begegnungen. Es geht vor allem um die Möglichkeit den Pfarrer oder Seelsorger niederschwellig kennenzulernen durch mein einfaches aufmerksames da sein. Wie letztes Mal, als ein Paar seinen 20. Hochzeitstag feierte und noch einen Blick in ihre Hochzeitskirche werfen konnten, da die Tür offen stand und wir diesen emotionalen Moment miteinander teilen konnten. Das sind für beide Seiten wunderschöne Momente. Es sind alle Willkommen!
Im Allgemeinen sind die Kirchen etwas unter Druck und auch in Murten erfahren wir mehr Kirchenaustritte als –eintritte. Wie siehst du die Zukunft?
„Die Kirche“ als Institution hat zunehmend einen schweren Stand, weil heute die Identifikation zu ihr fehlt. In meiner Überzeugung darf vor allem unsere „christliche Lebenshaltung“ auf keinen Fall untergehen. Es wird dazu sicher noch mehr Zusammenarbeit und Vernetzung brauchen. Ich kann mir auch vorstellen, noch mehr Angebote für alle zu öffnen und eventuell auch mal einen offenen Gottesdienst für alle Glaubensrichtungen zu gestalten.
Das Interview führte Ruth Wasserfallen, Regionautin und Kirchgemeinderätin Murten
Details: www.kirche-murten.ch