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Yvonne Kurzmeyer: Eine Frau – eine Tafel (Teil 2)

Am 18. November 2023 feiert der «Suppentag» sein 20-jähriges Jubiläum. Er ist der jährliche Höhepunkt der «Schweizer Tafel», die 2001 von Yvonne Kurzmeyer aus Courgevaux initiiert wurde.

von Kerstin Heine
am

Am 18. November 2023 feiert der «Suppentag» sein 20-jähriges Jubiläum. Er ist der jährliche Höhepunkt der «Schweizer Tafel», die 2001 von Yvonne Kurzmeyer aus Courgevaux initiiert wurde.

Im Teil 1 dieses Beitrages haben wir Yvonne Kurzmeyer als Kopf, Herz und Hand hinter der Entstehung des Projektes «Schweizer Tafel» porträtiert. Im Teil 2 beschreibt sie, wie es dazu kam und welche Erfahrungen sie mit dem Projekt verbindet.

Teil 1: Yvonne Kurzmeyer: Eine Frau – eine Tafel

Das Projekt «Schweizer Tafel» – Gründung und Anfangsjahre

Woher kam Ihre Projekt-Idee zur «Schweizer Tafel», Frau Kurzmeyer?
«Der Auslöser war 2019 das zufällige Zusammentreffen mit einem Bekannten, der damals in eine grosse persönliche Notlage geraten war. Sein Impuls liess mich aktiv werden und – von meinem damaligen Ehemann unterstützt – die Stiftung «Hoffnung für Menschen in Not» gründen. Allem Engagement zum Trotz fehlte diesem Vorhaben aber die zündende Idee und so führte sie mittelfristig nicht zum gewünschten Erfolg. Armut war damals in der Schweiz noch kein gesellschaftlich wahrgenommenes Thema.

Der Input eines anderen Bekannten, ein eigentliches «Projekt» zu lancieren, setzte dann einen Domino-Effekt in Gang. Im TV inspirierte mich das Sozial-Projekt «City Harvest» in New York, was mich schliesslich in Kontakt mit der damals bereits seit zehn Jahren bestehenden «Berliner Tafel» brachte. Das brachte die ganze Sache dann ins Rollen.»

Bis daraus erfolgreich die «Schweizer Tafel» initialisiert und nachhaltig stabil aufgebaut war – das ist eine lange und abenteuerliche Geschichte. Ich habe sie nach unserem Gespräch im Transkript von Yvonne Kurzmeyers Rede als Preisträgerin des Dr. J. E. Brandenberger-Stiftung am 30. November 2019 gelesen.

Archivbild: Stiftung Schweizer Tafel

Wie haben Sie die Anfangszeit erlebt?
«Ich hatte das Gefühl: Das muss jetzt einfach sein; es war die richtige Zeit und die richtige Energie für dieses Projekt. Wir sind nach der ersten, etwas unorganisierten Runde mit «Hoffnung für Menschen in Not» sehr professionell und strukturiert, aber ohne zu viel ‘Kopflast’ vorgegangen. Zwar hat McKinsey für uns das Konzept der «Berliner Tafel» auf Schweizer Verhältnisse angepasst und uns ein wunderbares Handbuch für die Umsetzung erstellt, aber wir haben viel ‘aus dem Bauch raus’ gehandelt. Es war eine bewegte, tolle Zeit.»

Auf meine Frage, was sie heute anders machen würde, reagiert die Unternehmerin bestimmt:

Vermutlich nicht wirklich viel. Das Wachstum der Stiftung war anfangs schwierig. Da haben mir meine Konsequenz, Klarheit und Beharrlichkeit sehr geholfen. Aber vieles liess sich nicht vorhersehen und wir haben ad hoc auf die Hindernisse und Schwierigkeiten reagiert. Dieses Learning-by-doing hat sich aus meiner Sicht sehr bewährt.

Wann und warum haben Sie den Staffelstab im Vorstand der Stiftung übergeben?
«Nach 15 intensiven, engagierten Jahren hatte ich das Gefühl: Jetzt kann ich nichts mehr beitragen. Das Projekt war zu diesem Zeitpunkt nachhaltig finanziert, das Gerüst stabil.

Ich bin eher Pionierin und bringe gerne Dinge zum Laufen. Die später notwendige Detailarbeit, das Koordinieren, die Routine-Abläufe – all das ist nicht mein Ding. So war es 2014 für mich stimmig, die Leitung in kompetente Hände abzugeben.»

Welche persönlichen Erkenntnisse ziehen Sie aus dieser Arbeit? Würden Sie es wieder tun?
«Wenn ich etwas mache, mache ich es richtig. Man muss etwas mit voller Energie tun, wenn man Erfolg haben will. So habe ich immer 120 Prozent gegeben. Und bin an Hindernissen und Misserfolgen gewachsen. Ich habe so viel Tolles erlebt und so unglaublich viel gelernt. Diese Aufgabe hat sich auch für mich persönlich gelohnt und meine eigene Entwicklung vorangetrieben.»

Archivbild: Stiftung Schweizer Tafel

Mit funkelnden Augen blickt Yvonne Kurzmeyer auf ihre aktive Zeit als Initiantin dieses wertvollen Grossprojektes zurück. Und antwortet wie aus der Pistole geschossen auf meine Frage nach einem Lern-Fazit: «Nicht so viel überlegen – wenn es in Kopf und Herz stimmt, einfach machen! Und dann bei Bedarf nachbessern.»

Wie schätzen Sie die Situation heute ein? Was ist anders?
«Heute ist viel mehr Bewusstsein für die Thematik da. Armut ist kein Tabu-Thema mehr, Lebensmittel-Verschwendung ­– oder neudeutsch Food-Waste – ist quasi in aller Munde. Es gibt viele Geschäfte und Projekte, die diese Thematik auf die eine oder andere Weise aufnehmen. Diese Entwicklung freut mich sehr. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn es Projekte wie die «Schweizer Tafel» gar nicht mehr brauchen würde. Aber bis dahin steht noch einige Arbeit an...»

Liebe Frau Kurzmeyer, ganz herzlichen Dank für dieses bereichernde, inspirierende Gespräch!

Mithelfen, mit anpacken

Wer sich für die Arbeit der «Schweizer Tafel» interessiert oder sich am «Suppentag» vom 18. November 2023 in irgendeiner Form beteiligen möchte, findet alle nötigen Informationen unter den Links unten. In Murten wird der «Suppentag» dieses Jahr unter der Schirmherrschaft des Lions Club Murten von 10:30 Uhr bis 14.00 Uhr im Hotel ‘Schiff am See’ ausgerichtet.

Informationen:

Website der Schweizer Tafel

Alles zum Suppentag