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Land und Leute /Kolumne
Brigitte Kaufmann

Über Gott und die Welt - Vom Feiern

Vor einigen Jahren übernahm ich im Religionsunterricht eine schwierige Klasse. Die Jugendlichen hatten zuvor schon zwei Lehrer verheizt und ich ging mit einem nicht geringen Angstgefühl im Bauch in die erste Stunde. Nach dem ersten Kennenlernen stellte ich ihnen die Aufgabe, aufzuschreiben, wo sie in zehn Jahren sein werden und was sie machen. Mehr oder weniger begeistert, eher weniger, begannen sie zu schreiben. Nach zwei Minuten waren alle fertig.

Als ich ihre Zukunftsperspektiven las, war ich perplex. Die grosse Mehrheit hatte geschrieben. Party, Party, Party...

Party, Mann, Kinder, Party...

Party, Reisen, Frauen, Party...

Achtzehn Mal Party und nichts anderes. Die Stunde wurde zur Qual und ich dachte, jetzt werde ich die dritte Verheizte sein. Irgendwie fanden wir aber den Rank miteinander und am Ende der dritten Oberstufe waren mir die Jugendlichen ans Herz gewachsen. Ich bin heute noch dankbar darüber.

Mit der Zeit habe ich auch ihre Party-Sehnsucht verstanden. Immer nur gute Leistungen zu erbringen, den Erwartungen der Eltern und Lehrer zu entsprechen und der Druck rund um die Berufswahl, setzte gerade den schwächeren Schülern und Schülerinnen sehr zu. Auch in der Arbeitswelt werden grosse Erwartungen an uns gestellt. Genügend Zeit ist auch dort Mangelware geworden. Eine Arbeit sollte schon fertig sein, kaum ist sie angefangen. Umso wichtiger sind Momente, in denen wir den Kopf lüften können.

Zwischendurch müssen wir auch innehalten im Leben. Ein Fest zu feiern, ist eine gute Gelegenheit dazu. Eine ausgelassene Feier lässt uns spüren, dass wir lebendig sind. Sich selber zu spüren, gibt uns auch Kraft für die Arbeit und unser ganzes Leben.

Etwas ganz Wichtiges ist auch die Gemeinschaft, die wir an einer Feier erleben. In einer guten Gemeinschaft erfahren wir Anerkennung und Wertschätzung. Sei es an einem Familienfest, einer Geburtstagsparty, einem Dorffest, einem Musikfest. Geniessen Sie das Zusammensein, die Lockerheit, den Spass und die Musik. Dies alles ist Balsam für die Seele.

Ich wünsche Ihnen die Zeit und die Musse, diesen Sommer das eine oder andere Festli zu feiern. Und ich wünsche Ihnen immer wieder Menschen, die mitfeiern und sich bei Ihnen wohlfühlen und bei denen es Ihnen wohl ist.

PS: Übrigens habe ich vor einiger Zeit eine Schülerin meiner ehemaligen Klasse getroffen. Ich habe sie gefragt:“ So, machst du jetzt Party?“ Sie hat geschmunzelt und mir erzählt, dass sie nun selber Lehrerin sei.

Weitere Kolumne von Brigitte Kaufmann: "über Gott und die Welt - von den Ferien"