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In diesem Sommer feiert sie runden Geburtstag: Die Sonnenuhr von Murten wird 50 Jahre alt!

1973 wurde die Skulptur aus Mont-Blanc-Granit von Daniel Burla (*1951) auf dem Pausenplatz der Primarschule an der Längmatt 4/6 errichtet. 50 Jahre später erzählt er, wie es dazu kam, dass er als 22-jähriger Steinbildhauer ein solch komplexes Projekt umsetzen konnte.

von Kerstin Heine
am

1973 wurde die Skulptur aus Mont-Blanc-Granit von Daniel Burla (*1951) auf dem Pausenplatz der Primarschule an der Längmatt 4/6 errichtet. 50 Jahre später erzählt er, wie es dazu kam, dass er als 22-jähriger Steinbildhauer ein solch komplexes Projekt umsetzen konnte.

Daniel Burla erwartet mich lächelnd bei strahlendem Sonnenschein auf dem Pausenhof zwischen dem alten Primarschulhaus und dem Neubau aus den frühen 70ern. Um uns herum brandet Kinder-Lachen: Primarschüler*innen fluten rufend und spielend unter Aufsicht Ihrer Lehrkräfte zwischen Pausen- und Sportplatz hin und her. Wir suchen uns einen schattigen Platz auf einer Bank unter den alten Kastanien und ich tauche in die Erzählungen des 72-jährigen «Uhrmachers» ein.

Wie es dazu kam

Nach seinem erfolgreichen Lehrabschluss im Sommer 1971 stand der frischgebackene, junge Steinbildhauer Daniel Burla etwas ratlos vor seinem zukünftigen Berufsleben. So folgte der 20-Jährige spontan der Einladung eines Kollegen nach Freiburg im Breisgau. Dort sollte er gemeinsam mit diesem die Meister-Ausbildung absolvieren. Zwar konnte der junge Meisterschüler aufgrund seiner noch fehlenden Berufserfahrung nicht mit der Meisterprüfung abschliessen (mind. fünf Jahre waren dafür erforderlich).

Dafür entzündete ein inspirierender Professor an der Schule sein Interesse an Sonnenuhren – ein Thema, das ihn später mehr als zehn Jahre intensiv begleiten sollte. Als dann sein Vater ihn eines Tages über eine Wettbewerbsausschreibung für ein «Kunst am Bau»-Projekt in Murten informierte, war für ihn klar: Das muss eine Sonnenuhr werden. Auch wenn damals der Handwerker- und Gewerbe-Verband anlässlich des Schulhaus-Neubaus eigentlich einen Brunnen spenden wollte. Burla konnte die Verantwortlichen von seinem Projekt einer Sonnenuhr überzeugen und man einigte sich schliesslich auf ein Kombinationsobjekt: eine 15 Meter-Bodensonnenuhr mit Brunnen.

Dieses ambitionierte Projekt stellte den jungen Bildhauer vor einige Herausforderungen. Zum Beispiel fehlte ihm für die 1:1-Projekt-Skizze ein genügend grosser Reiss-Boden. Die Lösung fand er schliesslich in der alten Turnhalle, in deren Parkettboden er – gemeinsam mit einem unterstützenden Freiburger Kollegen – Nägel für die Fixpunkte schlug und alle Linien mit Schnüren spannte.

Auch das Sägen der riesigen Granit-Platten benötigte viel Knowhow und ein geschicktes Vorgehen. Burla kam dabei sehr zugute, dass er bereits als Zwölfjähriger begeistert gemeinsam mit seinem Grossvater im väterlichen Betrieb Grabsteinplatten geschnitten hatte.

Auch für das exakte Aufstellen der Sonnenuhr fand sich eine Lösung für ein auftretendes Problem: Das Ausrichten der Steine musste nach der Sonne und den Sternen erfolgen, denn durch Magnetfelder im Schulhaus selbst, konnte dafür kein Kompass eingesetzt werden. Die dafür notwendige Dunkelheit wurde aber ausgerechnet zum relevanten Zeitpunkt gefährdet, als das Militär den Schulhausplatz genau zu diesem Zeitpunkt für eine RS-Nacht-Übung nutzte. Ein beweglicher Hauptmann reagierte gelassen: «Im Ernstfall müssen wir auch nachts im Dunkeln arbeiten! Also: Scheinwerfer aus!» Und das Problem war gelöst.

Nach dieser ersten grossen Gestaltungsaufgabe übernahm Burla noch einige weitere Sonnenuhr-Projekte im In- und Ausland und wurde so zu einer Koryphäe für Sonnenuhren. Beispielsweise stammt auch die grosse Sonnenuhr im Garten des Uhrenmuseums von Le Locle von ihm. Nach der Übernahme des väterlichen Betriebes 1979 konzentrierte er sich dann aber auf die Naturstein-Restaurierung. Die Grabstein-Gestaltung übernahm im Betrieb seine Frau: «Sie ist auch vom Fach und war auch in der Schriftgestaltung sehr gut. So haben wir uns gut ergänzt und jeder hatte sein Gebiet», freut sich Burla.

Daniel Burla blickt heute auf eine reiche und vielfältige Berufstätigkeit zurück und ist vor allem für die vielen konstruktiven, wohlwollenden Kooperationen dankbar, die ihm in seiner Laufbahn unterstützt haben. Die Sonnenuhr auf dem Schulhaus-Pausenplatz, sein erstes Projekt, besucht er auch nach 50 Jahren noch immer gerne und freut sich über die im Brunnen plantschenden Kinder.

Ein paar Fakten

Die Sonnenuhr besteht aus 13 verschieden geformten Steinquadern, die aus ursprünglichen Grabstein-Platten geschnitten wurden. Der Mont-Blanc-Granit dafür stammt aus Findlingen der Region, die von den Gletschern der Eiszeit hierher transportiert worden sind. Im Zentrum des Ensembles steht aufrecht der Zeigerstein: eine übermannshohe Platte mit stark abgeschrägter Oberkante.

Sie wird von elf unregelmässig angeordneten, 30 bis 65 cm hohen, hockerartigen Objekten umringt. In Längsrichtung der Zentralplatte liegt vor ihr eine flache, über 5 Meter lange Steinplatte, die zu einem Brunnentrog ausgehöhlt ist. Ein grösseres und ein viel kleineres schmal-linsenförmiges Becken berühren sich an den Spitzen und bilden so eine Art schmale liegende Acht bilden.

An verschiedenen Stellen eingravierte Ortsbezeichnungen und römische und arabische Zahlen auf den Steinen machen neugierig. Sie verweisen auf die vielfältige Nutzbarkeit dieser besonderen Sonnenuhr, von der sich nicht nur die örtliche Uhrzeit ablesen lässt. Übrigens nur die Winterzeit, denn die Sommerzeit (+ 1 Stunde) trat in der Schweiz erst 1981 in Kraft.

Auf den Sitzflächen der Steinhockern lässt sich zusätzlich erkennen, wann am jeweilig eingravierten Ort die Mittagsstunde schlägt. Die Markierungen auf dem Brunnenrand dagegen zeigen durch den im Jahresverlauf wandernden Mittagsschatten das Datum an. Auch die Sonnwenddaten im Juni und Dezember werfen ihre eigenen Schatten, sowohl auf dem Zeiger- als auch auf dem Brunnenstein.

Und als philosophische Referenz zur Zeit meisselte der Schöpfer des Objekts, Daniel Burla, noch das Jean-Paul Sartre-Zitat in die Flanke des Monolithen:

«Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere.»

Ein wunderbar befriedendes Statement auch für «sonnenarme» Zeiten.