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Murten-Geschichte aus einem anderen Blickwinkel

Der zweite Teil der Serie widmet sich der Lebensgeschichte von Albert Bitzius aus Murten.

von Marianne Oppliger
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Der zweite Teil der Serie widmet sich der Lebensgeschichte von Albert Bitzius aus Murten.

Die grosse Gestalt vor der Deutschen Kirche ist wohl eher der Generation 50+ in der Schweiz bekannt. Jeremias Gotthelf, mit bürgerlichem Namen Albert Bitzius, Sohn eines Pfarrers, war selbst Pfarrer und ein bedeutender Schriftsteller. Geprägt vom Glaubensbild des 18. Jahrhunderts war er ein kritischer Geist und Zeitgenosse.

In der etwas anderen Stadtführung «Amüseum» mit Beatrix Vogl und Francis Moret ("Murten-Geschichte aus einem anderen Blickwinkel: Louis d`Affry") erfährt man auch etwas über das Leben von Jeremias Gotthelf, der in einem ziemlich «frauenlastigen» Umfeld aufgewachsen ist.

Wer mehr über diesen «Frauenhaushalt» erfahren möchte, besucht am besten den Stadtspaziergang «Amüseum» in Murten, der voraussichtlich nur noch in diesem Jahr durchgeführt wird.

Daten und Aufführungszeiten auf der Webseite von Region Murtensee.

Der Pfarrerssohn Albert Bitzius wurde am 4.Oktober 1797 im Murtner Pfarrhaus an der Deutschen Kirchgasse geboren. Seine Mutter, Elisabeth Bitzius-Kohler war die dritte Ehefrau von Pfarrer Sigmund Bitzius. Bekannt wurde der Sohn Albert Bitzius später unter seinem Pseudonym Jeremias Gotthelf.

Es ist ein bisschen irreführend, dass der Pfarrer und Volksschriftsteller Jeremias Gotthelf in eiserner Mannesgrösse gegossen vor der Deutschen Kirche in Murten steht. In Wirklichkeit war der kleine Albert nämlich erst sieben Jahre alt, als die Familie von Murten wegzog. Sein Vater Sigmund kündigte seine Stelle als deutscher Pfarrer zu der Zeit, als Murten, das seit der Schlacht unter der gemeinen Herrschaft von Bern und Freiburg gestanden hatte, ganz Freiburg zugeteilt wurde.

Man geht davon aus, dass Napoleon bei dieser Territorial-Entscheidung den Landamman Louis d`Affry an der Seite hatte und der ihm zu diesem Schritt geraten hatte. Es wird vermutet, dass Louis d`Affry aus eigenem Interesse gehandelt hat. Er entstammte einer Freiburger Patrizierfamilie und fühlte sich begreiflicherweise durch sein Studium in Paris und als Berater Napoleons mehr mit dem französischen als mit dem deutschen Teil der Schweiz verbunden. Da d`Affry ein Landgut in Murten besass, liess er das Städtchen Murten deshalb dem Kanton Freiburg zuteilen. Somit war Murten für Sigmund Bitzius keine Option mehr, da seine protestantische Gemeinde nun ganz im Gebiet lag, welches einer katholischen Regierung gehörte. Zudem konnten sich Freiburg und Bern nicht mehr einigen, wer ihn entlöhnen sollte.

Diese unsicheren wirtschaftlichen Verhältnisse und andere Unstimmigkeiten sorgten schlussendlich dafür, dass Sigmund Bitzius im Frühjahr 1805 nach Utzensdorf versetzt wurde und mit seiner Familie dorthin zog. Sigmund Bitzius unterrichtete seine Söhne Albert und dessen jüngeren Bruder Karl Friedrich, genannt Fritz, selber. Später besuchte Albert Bitzius das Pädagogium in Bern, eine Literatenschule. An der Akademie besteht er schliesslich im Juni 1820 das theologische Examen und wird Vikar bei seinem Vater in Utzenstorf.

Nach einem kurzen Studium an der Universität Göttingen in Deutschland kehrt Albert Bitzius zurück in die Schweiz, wo er sich auch politisch engagierte. Anschliessend wurde Albert zum Pfarrer in Lützelflüh gewählt, wo er Henriette Zeender geheiratet hat. Der Ehe entsprangen 3 Kinder. Am 22. Oktober 1854 ist Albert Bitzius in Lützelfüh, wo auch sein Grab ist, gestorben.

Einige seiner Werke, welche im Heimatdialekt verfasst und für die damalige Zeit sehr gesellschaftskritisch waren, wurden verfilmt und sind wohl noch vielen schweizerdeutsch Sprechenden in bester Erinnerung. So zum Beispiel «Ueli der Knecht» und «Ueli der Pächter» mit Hannes Schmidhauser und Liselotte Pulver oder Anne Bäbi Jowäger mit Heinrich Gretler, Margrit Rainer und Ruedi Walter und viele mehr.

«Die schwarze Spinne» ist ein über die Grenzen hinaus bekanntes Werk und wird als Bühnenwerk bis heute auch in modernsten Inszenierungen gespielt.

Jeremias Gotthelf hinterlässt eine grosse Anzahl an Romanen, Geschichten und Erzählungen.