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«Das Archiv ist das Gedächtnis unserer Stadt»

Wussten Sie, dass Murten ein umfassendes, gut strukturiertes Archiv hat? unsereRegion hat den Archivar Markus Rubli getroffen und seine Arbeit unter die Lupe genommen. Dabei sind erstaunliche Fakten ans Tageslicht gekommen.

von Joel Rathgeb
am
Der Stadtarchivar Markus Rubli zwischen Regalen voller mittelalterlicher Findmittel.

Wussten Sie, dass Murten ein umfassendes, gut strukturiertes Archiv hat? unsereRegion hat den Archivar Markus Rubli getroffen und seine Arbeit unter die Lupe genommen. Dabei sind erstaunliche Fakten ans Tageslicht gekommen.

«Die ältesten Urkunden in unserem Archiv sind zwischen 700 und 800 Jahre alt!», erklärt Markus Rubli. Auf einen solchen Fundus kann man definitiv stolz sein, vor allem wenn er gut strukturiert ist. Dies ist in Murten der Fall, es war jedoch nicht immer so. Anfangs der 1960er-Jahre beschäftigte sich der junge Stadtschreiber Erhard Lehmann intensiv mit der Archivsituation unserer Stadt. In den historischen Beständen herrschte ein völliges Durcheinander und für die Verwaltung existierte kein zeitgemässer Archivplan. Durch seine Leidenschaft für Geschichte, engagierte sich Erhard Lehmann dafür, dass die jahrhundertealten Schriftstücke wieder ihrem historischen Wert gerecht werdend aufbewahrt werden und dass eine moderne Registratur einzuführen sei. Für die Neuordnung der geschichtsträchtigen Pergamente und Papiere hat er damals seinen ehemaligen Geschichtslehrer Ernst Flückiger gewinnen können. «Dieser hat mit viel Aufwand und Herzblut seinen Job erledigt und – sie lesen richtig! – die nützliche Archivordnung von 1844 wiederhergestellt. Und mit dieser arbeite ich heute immer noch… », schmunzelt Markus Rubli. Der nun 64-jährige Lokalhistoriker und Verleger hat das Archiv 1986 im Nebenamt vom ehemaligen Stadtschreiber Lehmann übernommen und entwickelt es seither kontinuierlich weiter.

Dieses Mitgliederverzeichnis stammt aus der Zeit zwischen 1320 und 1390 und gehörte der Heilig-Geist Bruderschaft, die zu dieser Zeit pflegebedürftigen Menschen half.

«Früher war die Führung des historischen Archivs eine Aufgabe des Stadtschreibers.» Heute arbeitet der Archivar zwar selbständig, steht jedoch für Auskünfte und Recherchen in Kontakt zur gesamten Verwaltung. Zu seiner wichtigsten Aufgabe gehört das Erhalten und Betreuen der jahrhundertealten Bestände. Dazu kommt eine Art «Oberaufsicht» über die aktuellen Archivalien, die von den einzelnen Verwaltungsabteilungen selber abgelegt werden,das Ergänzen der historischen Findmittel sowie die Betreuung von Besuchern, wenn jemand eine bestimmte Information braucht. Markus Rubli kümmert sich auch um die Restaurierung von schlecht erhaltenen Archivalien. Für diese Massnahmen hat Markus Rubli ein Budget zwischen 10'000 und 15'000 Franken pro Jahr zur Verfügung.

Alles, was durch die Stadtverwaltung produziert wird, kommt früher oder später «auf ewig» ins Archiv. Je nach Bearbeitungsgebiet geht es vorher durch Ressorts wie z.B. die Stadtschreiberei, Finanzen, Bauabteilungen, Kommissionen und natürlich den Gemeinde- und Generalrat. Gewisse Aufgaben der Archivierung werden durch die kantonale Gesetzgebung vorgeschrieben, in einigen Teilen ist die Gemeinde aber frei in der Aufbewahrung. Finanzsachen sind beispielsweise seit 1469 zu finden, Ratsprotokolle seit 500 Jahren (!) und Einwohnerkontrolldaten seit Ende des 18. Jahrhunderts. «Trotzdem kann nicht jedes neue Dossier unbesehen für immer aufgenommen werden, weil die Material- und Informationsflut sonst erdrückend wäre», erklärt Markus Rubli.

Doch wer braucht all diese historischen Dokumente eigentlich? «Häufig kommen Leute zu mir, die Stammbaumforschung betreiben. Auch Bewohner, die etwas über die Geschichte ihres Hauses wissen wollen, kontaktieren mich. Seltener melden sich – was eigentlich schade ist – Historiker mit einem spezifischen Forschungsthema für eine Dissertation. Material hätten wir genug.» Dafür gibt’s oft Auskünfte auswärtiger Wissenschaftler zu erledigen. So brauchte beispielsweise das Schweizer Nationalmuseum in Zürich vor einigen Jahren für eine Publikation Angaben zu den hiesigen Silberschmiede-Werkstätten im 18./19. Jahrhundert. Hier konnte Markus Rubli als Primeur interessante Angaben bereitstellen.