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Kultur /Kolumne
Karin Ledermann

Scheinwerfer an, Vorhang auf! Ein Blick hinter die Kulissen des Kellertheaters – Teil 4

In der Probepausen ergab sich die Gelegenheit, mit den Schauspielern ins Gespräch zu kommen und ich konnte all die Fragen stellen, die mir schier schlaflose Nächte bereiteten.

Ich fing mit der simpelsten Frage überhaupt an: Wie kommt man zum Theaterspielen? Da gibt es jene, die bereits als Kinder auf der Bühne standen, andere fanden erst als Erwachsene aus Neugier und Spiellust – oder aus Zufall – auf die Bühne. Die weibliche Hauptdarstellerin des diesjährigen Stücks spielt seit vierzig Jahren Theater! Der männliche Hauptdarsteller ist ebenfalls ein 'Vollblut-Schauspieler'. Der gebürtige Türke machte seine ersten Bühnenerfahrungen während der Schulzeit in der Türkei, in seiner ersten Rolle spielte er einen Fernseher. Er erzählte, dass er vieles, was in 'Angst essen Seele auf' gespielt werde, als 'Ausländer' hautnah habe miterleben müssen. Fassbinders Stück hat also – leider – seit seinem Debüt 1974 nichts an Aktualität eingebüsst.

Es ist die Lust am Spielen, das Abenteuer, in andere Rollen, andere Leben zu schlüpfen, was die Künstler auf die Bühne lockt. Jemand völlig anderes sein, als man es in seinem wahrhaftigen Leben ist. Einmal ein General, eine Prostituierte, ein Dieb, ein Millionär, eine Hexe oder ein König sein. Aber diese Leben zu spielen, hat einen Preis: man muss in die Rolle schlüpfen, sie ausfüllen und seinen Text als Müllmann, Bartender, als Pflegefachfrau oder Prinzessin kennen. Die Artisten lernen die Texte abends im Bett, sie machen Sprachaufnahmen und hören sie sich im Auto, beim Kochen, beim Einschlafen an, andere treffen sich mit Mitschauspielern und üben ihre Parts ausserhalb der Proben.

Ja, sie investieren viel Zeit und Energie in ihr Hobby. Eine der grössten Herausforderungen und der eigentliche Kick ist für die meisten, nicht bloss jemanden zu spielen, sondern die Rolle zu leben, den Charakter zu spüren, die Köchin, der Hirte, der Fischer oder die Mätresse zu sein. Das, denke ich, ist wahre Hingabe und Leidenschaft und das ist, was man als Schauspieler im Herzen und im Blut haben muss. Aber egal, wie gut die Künstler vorbereitet sind, vor dem Auftritt sind sie fast ausnahmslos angespannt und nervös. Lampenfieber gehört dazu, ist die einheitliche Meinung, es macht aufmerksam, man hat Fokus und der Anstieg an Adrenalin fördert die Konzentration.

Und dann fällt irgendwann der letzte Vorhang, ich stelle mir vor, dass dies ein Gefühl der Leere auslöst. Ja, das tut es in der Tat bei einigen. Fast alle nehmen mit einem weinenden und einem lachenden Auge Abschied. Eine Schauspielerin meinte, sie lasse am Schluss des letzten Spielabends ihre Charaktere sterben. Begrüsst hingegen wird einhellig, dass man wieder Zeit hat für Freunde und Familie, für andere Hobbies und für sich selber.

Wovon träumen die Schauspieler? Eine Künstlerin träumt davon, einmal auf der Bühne der Thuner Seespiele zu stehen, ein Akteur wünscht sich, entdeckt zu werden – und hofft gleichzeitig, dass dies ein Traum bleiben möge, denn nur so könne er sich ihn immer wieder aufs Neue nach Lust und Laune ausmalen.

Die Murtner Kellertheater-Schauspieler, soviel ist sicher, sind allesamt Idealisten.