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Werden die Bankberater bald durch Roboter ersetzt?

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Dass sie kommen wird und in der Arbeitswelt Einzug halten wird, ist unbestritten - in welchem Ausmass ist zurzeit noch nicht absehbar.

von Rainer Menning
am

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Dass sie kommen wird und in der Arbeitswelt Einzug halten wird, ist unbestritten - in welchem Ausmass ist zurzeit noch nicht absehbar.

Es ist ein alter Menschheitstraum: Roboter übernehmen für uns die mühsamen Arbeiten und erleichtern uns das Leben. In den 60er und 70er-Jahren - nach dem der erste Mann auf dem Mond gelandet ist - kam es zu einem Technologieschub. Viele computer-unterstützte Geräte erleichtern die Arbeit und auch das Privatleben.

Dann um die Jahrtausendwende kam ein zweiter Schub mit dem Aufkommen des Internets und den damit verbundenen Anwendungen. Heute ist ein Leben ohne Google oder YouTube kaum mehr vorstellbar. Jede dieser Entwicklung verlangte von der Bevölkerung ein Anpassen an die neue Technologie ab.

KI als logische Konsequenz

Die nächste grosse Errungenschaft ist nun die Künstliche Intelligenz (KI). Vorab für die Arbeitswelt angedacht, wird KI auch im Privatleben Einzug erhalten. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC (PricewaterhouseCoopers) aus dem Jahr 2020 sieht die Künstliche Intelligenz im Finanzsektor als vielversprechende Innovation. Für diese Studie wurden 151 Führungskräfte (aus den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz) aus dem Bereich Banken und Versicherungen befragt.

Gemäss dieser Studie wollen 79 Prozent der Befragten Geschäftsprozesse digital effizienter machen, fast drei Viertel generell Kosten einsparen (73 Prozent) und jedes zweite Unternehmen erwartet, mithilfe von KI Compliance-Vorgaben besser umsetzen zu können (50 Prozent). Aber auch für neue Felder, etwa Chatbots, Automatisierung und vorausschauendes Marketing setzt bereits etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) die neue Technologie ein.

KI auch im Kanton Freiburg?

Wie sieht es nun aber im 2024 konkret aus? unsereRegion hat bei Thomas Stirnemann, Mitglied der Bankleitung der Raiffeisen See-Lac, nachgefragt.

bei Thomas Stirnemann, Mitglied der Bankleitung der Raiffeisen See-Lac

Thomas Stirnemann, wann wird der erste Raiffeisen-Kunde durch einen Roboter begrüsst und beraten?
Bei der Raiffeisen See-Lac sicherlich noch lange nicht. Persönlicher Kundenkontakt ist Teil der DNA von Raiffeisen. Nicht zuletzt deswegen investiert die Raiffeisen See-Lac in die physische Präsenz vor Ort. Persönlicher Kontakt ist aus meiner Sicht unabdingbarer Bestandteil beim Aufbau von gegenseitigem Vertrauen. Und Vertrauen ist im Finanzsektor wie wir wissen elementar.

Ist Künstliche Intelligenz bei der Raiffeisen See-Lac überhaupt ein Thema?
Gegenwärtig kaum. Ziel der Künstlichen Intelligenz soll sein, die Arbeit von Menschen zu übernehmen. Dies ist in einer immer komplexer werdenden, stark regulierten Finanzwelt aus meiner Sicht momentan nur bedingt möglich – jedenfalls nicht in den Bereichen, in denen wir unsere Beratungsdienstleistungen anbieten. Aus meiner Erfahrung existieren keine identischen Kundensituationen. Individuelle Lösungsansätze für Kunden beinhalten nebst objektiven, rein mathematisch oder aus dem «Mainstream» ermittelten Durchschnitt auch emotionale Gesichtspunkte. Oder anders ausgedrückt: 1 + 1 ergibt bekanntlich manchmal sogar 3. Hier stösst die KI (noch) an Grenzen. Das heisst aber nicht, dass die digitale Entwicklung nicht auch in unserem Tagesgeschäft spürbar ist. Es gibt vermutlich kaum eine Branche, die sich diesem Trend entziehen kann.

Wenn sich gewisse Trends an den Finanzmärkten abzeichnen, können die betroffenen Kunden gezielt kontaktiert werden. Das Kundengespräch wird dadurch aber nicht ersetzt. (Thomas Stirnemann)

Welche Einsatzbereiche sehen Sie persönlich für KI im Bankensektor?
In der Studie wird die Effizienzsteigerung bei den Befragten als wichtigster Grund für den Einsatz der KI ermittelt. Ich sehe das auch so. Algorithmen helfen Kundenberatern zum Beispiel bei der Überwachung von Anlageportfolios. Wenn sich gewisse Trends an den Finanzmärkten abzeichnen, können die betroffenen Kunden gezielt kontaktiert werden. Das Kundengespräch wird dadurch aber nicht ersetzt. Auch die Bekämpfung von Kriminalität in der Finanzwelt ist ein möglicher Einsatzbereich indem verdächtige Transaktionen schneller eruiert werden können. Grundsätzlich macht der Einsatz von KI dort Sinn, wo die Auswertung von grossen Datenmengen über verschiedene Bereiche hinweg nötig ist um gewisse Muster, Strukturen oder Trends zu erkennen. Der Mensch braucht dafür oft viel kostbare Zeit.

Welchen Vorteil hat der Mensch gegenüber der KI?
Alle Anwendungen, die wir heute mit KI in Verbindung bringen, basieren auf bestehenden, von Menschen geschaffenen Daten und Systemen. Übersetzungsdiente, Navigationssysteme, ChatGPT um nur einige Beispiele zu nennen. KI gibt es folglich nicht ohne Mensch. Moral, Ethik, Kreativität, Emotionen, oder handwerkliches Geschick – also sämtliche Eigenschaften die wir als menschlich bezeichnen – fehlen der KI. Während KI primär mit bestehenden Daten umgeht und diese interpretiert, entwickelt der Mensch sein eigenes Dasein weiter. Dies tut er mit seinen menschlichen Eigenschaften. Daher ist für uns die Kommunikation von Mensch zu Mensch einfacher als zwischen Mensch und Maschine.

Welchen Fokus setzt die Raiffeisen See-Lac in den nächsten Jahren?
Im Zentrum stehen weiterhin die Entwicklung und der Ausbau unserer Beratungsdienstleistungen vor Ort. Mit der kürzlich eröffneten, modernen Geschäftsstelle in Courtepin und der baldigen Inbetriebnahme des neuen Standorts in Murten unterstreichen wir unsere strategische Stossrichtung "Gelebte Kundennähe wird mit Zeitgeist verknüpft". Bei der Entwicklung von digitalen Interaktionsmöglichkeiten steht vor allem die Erhöhung des Kundennutzens im Vordergrund, um Alltagsgeschäfte künftig noch unabhängiger von Telefon- oder Öffnungszeiten abwickeln zu können.

Zur Unterstützung, bei Fragen und für Beratungen sind wir auch weiterhin in Fleisch und mit Herzblut für unsere Kunden da. (Thomas Stirnemann)

Link auf die Studie PwC (PricewaterhouseCoopers): PwC-Studie aus dem Jahr 2020